Gregor Weisenberger

ESSLEBEN

Ein Dorf ändert

im Laufe von zwei Jahrhunderten

sein Gesicht

Historischer Verein Markt Werneck e.V.

2001


Titelbild im Rissbuch 1790


Essleben heute

   Das Foto, von der Wart aus aufgenommen, zeigt breite Scheunen, große Häuser, moderne Bauten. Nicht sie, sondern die Kirche, die Landschaft, der blaue Himmel und die Bäume machen den Reiz des Bildes aus. Das Dorf hat sich seit 1790 gewaltig verändert: An Stelle der „alten Kirche, die die Menschenzahl der ganzen Pfarrey bei weitem nicht fasste“, steht das 1810 erbaute neue Gotteshaus mit dem weithin sichtbaren Turm und der gut gegliederten Fassade. Damals wurde auch ein neues Rathaus erbaut und der Friedhof 200 Meter weiter nach Westen verlegt.

   Die Einwohnerzahl hat sich seitdem mehr als verdoppelt. Über 1300 Menschen, die zum großen Teil Arbeit in der Industrie in Schweinfurt gefunden haben, wohnen hier. 21 Haupt- und 23 Nebenerwerbslandwirte sind übrig geblieben. Sie bewirtschaften eine Fläche von 1100 Hektar.

   Das Dorf hat sich flächenmäßig vergrößert. Bis 1930 erfolgte die Erweiterung hauptsächlich in der Bahnhofstraße. Doch dann entstanden die (alte) Siedlung zwischen der B 19 und dem Katzenbach, die Herrenmartersiedlung, Essleben Nord und Essleben Süd I und II, nur um die wichtigsten zu nennen. An Stelle von 133 Höfen, Scheunen und Nebengebäuden (1790) zählt man heute über 330 Häuser, meist Einfamilienhäuser. Vor 200 Jahren standen neben strohgedeckten Hütten schon zweistöckige Häuser mit Fachwerk und Walmdach. Heute sieht man neben schönen Gebäuden Einheitshäuser und Zweckbauten. Neu entstanden sind die Schule, der Kindergarten, das Sportheim, die Sportstätten, die Kinderspielplätze und die Sparkasse.

   Verschwunden sind dagegen: Der See, die Weth, der Bach, der Pfarrhof (hier hat das Amt für Denkmalpflege geschlafen), ein Teil der Zehntscheune, die Zollstation, das Armenhaus, die Mühle, die Schmiede, die Gemeindebäckerei, alle Brunnen, manche Bildstöcke, viele Tore und Pforten. Manches fiel dem Zahn der Zeit zum Opfer, anderes wurde gedankenlos geopfert.

Das Dorf vor 100 Jahren

   Den „Gruss aus Essleben“ hat Otto Burlein (geb. 1878), der Sohn des Kaufmanns und Landtagsabgeordneten Leonhard Burlein verf(ertigt). „Mit Akkuratesse“ hat er „die Einzelmotive der Ortsansicht“ gezeichnet. Es ist verständlich, dass er sein Vaterhaus „Kaufhaus und Getreidehandlung L. Burlein“  (heute Englert) und die Kirchstraße – Werbung in damaliger Zeit – als Motive gewählt hat. Der Name „Villa Hellmuth“ für das erste Bahnhofsgebäude ist heute nicht mehr erklärbar.

   Die Totalansicht zeigt den See, die Kirche und einen Teil des Dorfes. Der Künstler hat hier seine Phantasie schweifen lassen. Zwei winzige Schwäne, aber übergroße Schwalben, mächtige Seerosen mit Schilfstengeln und das Blütengerank sorgen für eine romantische Stimmung, von der sicher auch die Kahnfahrer erfasst sind. Der linke Kanute scheint kräftig zu rudern, während der andere Kavalier die Dame seines Herzens – vermutlich in Krinoline, mit Parasol und Sonnenhut – spazieren fährt.

   In der Kirchstraße erkennt man auf der rechten Seite das Kaufhaus, den Plattenweg und das Pfarrhaus. Links lässt sich die Weth erahnen. Drei Männer, die wohl vom Wirtshaus zum Goldenen Stern kommen, laufen Richtung Kirche.

   Vor dem Kaufhaus zeigen zwei Radfahrer ihr Können und finden Bewunderung bei einigen Zuschauern. „Radfahrer .... sind verhältnismäßig selten auf Lithographien dieser Art. Sie waren damals vor der Jahrhundertwende im Straßenbild ja auch nur bescheiden vertreten.“ In Essleben aber waren sie nicht unbekannt; hatte man doch hier schon 1896 einen Radfahrerverein gegründet.

   „Steindrucke erlebten um die Jahrhundertwende eine Blütezeit. Diese Lithographien, ehemals eine Alltäglichkeit, gelten heute als Kunstwerke eigener Art.“ Für Essleben ist der Steindruck von Otto Burlein ein „kulturgeschichtliches Dokument besonderen Ranges“.

 

Essleben – vor 200 Jahren

   So sah der Geometer Quell aus Iphofen das Dorf in seinem Rissbuch von 1790. Das Titelblatt zeigt das Dorf von Süden aus. Die Häuser und Straßen können und wollen nicht maßstabsgerecht sein; die wichtigsten Gebäude jedoch sind deutlich zu erkennen.

   Quell vermittelt uns eher ein Bild ländlichen Friedens. Ein freundlich winkender Wanderer mit dem Reisebündel auf dem Buckel grüßt einen Spaziergänger, der von Süden kommend dem Dorf zustrebt. Sein Hündchen hüpft schwanzwedelnd voraus. Phantasievögel auf dem Acker und unverhältnismäßig große Gänse oder Enten auf dem See verstärken den idyllischen Eindruck.

   Die Kirche (1) mit dem Spitzturm und den vier Ecktürmchen, den sogenannten Pfefferbüchsen, überragt die 133 Häuser mit den dazugehörenden Scheunen und Nebengebäuden. An die 600 Menschen, Bauern und zahlreiche kleine Handwerker leben hier. Vor dem Turm des Gotteshauses steht das Rathaus (2) mit der Schule unter einem Dach und dem Rundturm mit welscher Haube, in dem das Weinglöcklein hängt. Es läutet jeden Abend zur bestimmten Zeit eine halbe Viertelstunde lang. Danach darf der Wirt keine Getränke mehr ausschenken.

   Westlich des Zollhauses (3) an der Opferbaumer Straße liegt der Hochfürstliche Kammer- oder Vogteihof (4), der teilweise von einer Mauer umgeben ist. Daneben liegt der See (5). Die ehemalige Wasserburg wurde schon 200 Jahre vorher abgebrochen. Am Ostende des Dorfes breitet sich der Zehnthof mit der Zehntscheune (6) aus.

   Mitten durch das Dorf führt die „Chaussee-Straße (7), die heutige B 19. Parallel dazu verläuft die Rabensteinergasse (8) (Langgasse), die am Südende durch das Rabensteiner Tor abgeschlossen wird. Im Westen, am Oberen Tor (9) gabelt sich die Kirchstraße in die Wege nach Rieden und Mühlhausen.

Selbst die Dorfheg (10) und die Bildstöcke (11) hat der Zeichner nicht vergessen.

Die Ablichtung und die Zitate „....“ sind entnommen dem Kalender 1991, Mainpresse Richterdruck.